Der Internationale Frauentag wurde erstmals 1911 begangen, im Mittelpunkt stand damals in erster Linie die Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Beschlossen wurde die Einführung des Internationalen Frauentages 1910 von der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz, wobei Clara Zetkin die maßgebliche Initiatorin war. Seit 1977 ist der 8. März nun durch die UNO weltweit festgesetzt als der Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden, oder kurz Internationaler Frauentag.
Da wir Jusos uns unter anderem auch als feministischer Richtungsverband verstehen und die Gleichstellungspolitik gerade bei uns Erlanger Jusos einen hohen Stellenwert einnimmt, war es uns ein wichtiges Anliegen, dieses Jahr anlässlich des internationalen Frauentags mit einer Aktion an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir verteilten in der Erlanger Innenstadt Flyer, um die PassantInnen darauf aufmerksam zu machen, dass die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter noch nicht erreicht ist und Frauen beispielsweise nach wie vor schlechtere Karrierechancen haben als Männer. „Chefin sein kannst du zu Hause!“ bekamen sie auf Postkarten mitgeteilt. Doch das ist selbstverständlich nicht unsere Vorstellung von Gleichstellung, deshalb erteilten wir den Frauen dabei natürlich sofort die klare Aufforderung: „Änder das!“ Dazu gab es dann noch eine Infobroschüre, in der erläutert wird, wie wir Jusos die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter erreichen wollen. Außerdem wurde ein „Frauenquiz“ an die Leute verteilt, das sie dazu ermuntern soll, sich beispielsweise mit bedeutenden Frauen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, Etappen auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung wie die Einführung des Wahlrechts für Frauen, oder auch alltäglichen Fragen wie der Verteilung der Hausarbeit auf die Geschlechter auseinanderzusetzen. Unter den richtigen Einsendungen werden Preise verlost. Da Gleichstellungspolitik jedoch kein reines Frauenthema ist und sich unserer Meinung nach auch die Männer gleichermaßen mit dem Thema befassen sollten, wurden dabei gezielt auch männliche Passanten angesprochen.
Leider ließ sich bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der Angesprochenen ein starkes Desinteresse feststellen, gerade auch bei Frauen. Der Internationale Frauentag und das Engagement für Gleichstellung an sich wurden dabei oft als unwichtig abgetan mit der Begründung, dass doch inzwischen gleichstellungstechnisch schon alles erreicht sei und es diesbezüglich keinerlei Missstände mehr gäbe. Tatsächlich konnte die Frauenbewegung in der Vergangenheit schon sehr viel erreichen, so dass Frauen auf dem Papier inzwischen faktisch gleichberechtigt sind: Viele Kämpfe wurden geführt und gewonnen, um das Wahlrecht, die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz, um mehr Freiheit und Emanzipation.
Die aktuelle Debatte zum Thema Sexismus zeigt zudem, dass Frauen und Mädchen häufig Opfer männlicher Gewalt sind, sodass fast jede zweite Frau in Deutschland bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt hat. Dies hinterlässt schwerwiegende seelische Schäden. Die große Resonanz zeigt hier, dass es sich nach wie vor lohnt, für Frauenrechte zu kämpfen. Die Ignoranz der zuständigen Ministerin diesbezüglich sollte man sich auch keinesfalls zum Vorbild nehmen, sondern vielmehr als Ansporn sehen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Der internationale Frauentag hat somit auch heute noch nichts von seiner Bedeutung verloren, und das verbreitete Desinteresse daran, insbesondere auch von Frauen selbst, sollten wir keinesfalls als Vorwand nehmen, die Gleichstellungspolitik zurückzustellen, weil ein Großteil der Frauen sich mit der jetzigen Situation offensichtlich abgefunden hat – im Gegenteil sollte es uns dazu veranlassen, die Frauen auf diese noch bestehenden Missstände deutlich hinzuweisen und sie dabei zu ermutigen, dies nicht weiter hinzunehmen und sich mit dem bisher Erreichten noch nicht zufrieden zu geben. Gleiche Rechte auf dem Papier sind natürlich eine wichtige Errungenschaft, sie sind uns aber definitiv noch nicht genug – wir wollen die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter, wo Frauen auf der Karriereleiter nicht mehr trotz gleicher Qualifikation hinter ihren männlichen Kollegen zurückbleiben, Hausarbeit und Kindererziehung nicht mehr als reine Frauenarbeit betrachtet, sondern von beiden Geschlechtern partnerschaftlich verrichtet wird und Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich ist, weil es ausreichend Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder gibt und sie nicht mehr mit einem „Betreuungsgeld“ für die reine Mutterrolle abgespeist werden. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der die derzeitigen Geschlechterstereotypen in den Köpfen der Leute endgültig überwunden sind und beispielsweise Automechanikerinnen und Männer in Erziehungsberufen als völlig „normal“ betrachtet werden. Wir werden uns erst zufrieden geben, wenn dies alles so selbstverständlich ist wie heute das Frauenwahlrecht, für das unsere sozialistischen Vorgängerinnen zum ersten Internationalen Frauentag eingetreten sind.