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Kein Überbietungswettkampf bei der Inneren Sicherheit!

Von Ulrich Wagner:

Die Innere Sicherheit ist zu einem Wahlkampfthema geworden. CDU und CSU wittern die Chance, sich gewinnbringend zu profilieren. Wie nicht anders zu erwarten, fordert vor allem die CSU weit reichende Maßnahmen. Die Debatte hat sich deutlich verschärft und die Liste der Dinge, die diskutiert werden, kann durchaus als beklemmend bezeichnet werden.

Der Stand der Diskussion

Schon auf und im Umfeld der Innenministerkonferenz im Juni wurden vor allem folgende Maßnahmen erörtert:

  • Die Überwachung der Kommunikation über WhatsApp und ähnliche Dienste,
  • die bundesweite Schleierfahndung,
  • die Ausweitung der Möglichkeiten, DNA-Analysen zu verwerten und
  • die Möglichkeit, bereits Kinder ab sechs Jahren durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Und das ist noch nicht alles. Abseits von dieser Diskussion stehen noch weitere Maßnahmen im Raum: Eine Bundesratsinitiative der bayerischen Staatsregierung zielt darauf ab, den Zugriff auf die Daten zu erweitern, die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung erfasst werden. Ebenfalls in Bayern diskutiert wird die Möglichkeit, Gefährder unbegrenzt in Gewahrsam zu nehmen. Zudem liebäugeln Teile der Union seit längerem schon damit, Bundeswehreinsätze im Inneren verstärkt zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund werden die aktuellen Vorschläge mit großer Ablehnung kommentiert. „Die Kanone wird zur Standardwaffe“, stellt Patrick Beuth auf Zeit Online fest (14. Juli 2017). „Die Freiheit wird aus der Bundesrepublik herausgepumpt“, konstatiert Heribert Prantl in der Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung (12. Juni 2017).

 Nun, es ist richtig: Gefahren dürfen nicht verharmlost werden – gerade aktuell nicht. Es besteht ein – berechtigtes – erhöhtes Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung. Der Staat muss in der Lage sein, Gefahren abzuwehren. Dabei können weitere Befugnisse der Sicherheitsbehörden hilfreich sein. Dennoch bekommt man den Eindruck, allein die Absicht, sich zu profilieren, bestimmt viele dieser Vorschläge. Die leichte Lö- sung, mit drastischen Maßnahmen auf Bedrohungen zu reagieren, wird bevorzugt. Immer weniger zu erkennen ist das Bemühen, mit ruhiger Hand das Erforderliche zu tun und dabei das „rechtsstaatliche Maß“ (Prantl) nicht zu verlieren. Immer weniger wird daran gedacht, dass die Freiheit, die mehr und mehr eingeschränkt wird, eigentlich ja geschützt werden soll.

Es droht ein Überbietungswettbewerb

Leider werden einige der oben genannten Maßnahmen auch von SPD-Innenministern mitgetragen. Es steht zu befürchten, dass auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns in die falsche Richtung treiben lassen. Gerade den Vorwurf, „zu weich“ zu sein, zu wenig zu unternehmen, müssen wir aber entschieden zurückweisen. Denn wenn Florian Gathmann, Kevin Hagen, Annett Meiritz und Michael Winde auf Spiegel Online feststellen, die SPD habe das Thema „Innere Sicherheit“ geradezu „verpennt“ (15. Juni 2017), so ist das nicht wahr. Wir haben gerade in den letzten vier Jahren einige – sowohl gute, nicht selten aber auch umstrittene – Maßnahmen mitgetragen:

  • Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung – obwohl deren Nutzen umstritten ist,
  • die Ausweitung der Videoüberwachung durch zwei Gesetze,
  • die Neustrukturierung des Gesetzes über das Bundeskriminalamt – inklusive einer Erweiterung der Befugnisse dieser Behörde,
  • die Strafschärfung bei Wohnungseinbruchsdiebstählen,
  • die Strafbarkeit der Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89b StGB) und der Finanzierung des Terrorismus (§ 89c StGB),
  • die Reform des Sexualstrafrechts, mit der wir uns durchgesetzt haben – eine sehr wichtige und gelungene Reform (mit einer ganz eigenen Geschichte: Ausgerechnet die Union hatte diesen Entwurf zunächst verwässert, blockiert und dann im Bundestag torpediert) sowie
  • 6.000 weitere Stellen bei der Bundespolizei.

Allein dieser Maßnahmenkatalog ist schon sehr weitreichend. Wie wahr waren aber die Befürchtungen von Philipp Dees, der im Monatsspiegel für Juli/ August 2015 schrieb, dass „ein kleines Öffnen der Tür ‚Vorratsdatenspeicherung‘ immer weitere Begehrlichkeiten auf noch mehr Speicherung und noch mehr Datenzugriffe eröffnet“ (S. 12). Heute, zwei Jahre später, müssen wir festhalten: Immer mehr, immer weiter reichende Befugnisse, und kein Ende in Sicht. Gerade im Bundestagswahlkampf droht ein Überbietungswettbewerb: Wer schlägt die schärfsten Gesetze vor?

Wie dem entgegenzutreten ist

Statt an einem solchen Überbietungswettbewerb teilzunehmen (streng nach dem Motto: „kompetent ist, wer Grundrechte am meisten einschränkt“), müssen wir deutlich machen: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten tun mit ruhiger Hand das Erforderliche, um Sicherheit zu gewährleisten – und wir haben in den vergangenen Jahren auch einiges getan. Wir verlieren dabei nicht aus den Augen, dass wir unsere Freiheit nicht schützen, wenn wir sie aufgeben. Den Sicherheitsbehörden werden daher nur dann neue Befugnisse eingeräumt, wenn diese auch zwingend erforderlich sind. Verschärfte Sicherheitsgesetze allein führen ohnehin nicht zum Ziel. Die Bedeutung von Präventionsmaßnahmen wird in der Diskussion um Innere Sicherheit stets unterschätzt. In unserem Wahlprogramm und in mehreren Beschlüssen der SPD-Bundestagsfraktion werden hierzu einige gute Ausführungen gemacht. Auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit ist eben nicht derjenige kompetent, der unsere Freiheit am meisten beschränken will. Diesen Aspekt müssen wir betonen. Wir sind keine Partei, die in wilder Panik maßlose Verschärfungen der Sicherheitsgesetze fordert, sondern wir haben eine umfassendere und wirksamere, eine bessere Vorstellung, wie Sicherheit zu gewährleisten ist.