Die rechtliche Situation von Lesben und Schwulen in Deutschland hat sich seit 1969 kontinuierlich verbessert. Insbesondere die rot-grüne Bundesregierung hat große Schritte in Richtung Gleichstellung unternommen, unter anderem durch die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Auch in der Gesellschaft und den Medien wird das Thema Homosexualität nicht mehr tabuisiert, die echte gesellschaftliche Gleichstellung ist jedoch bei weitem noch nicht vollzogen. Gesellschaftlich gehören Diskriminierungserfahrungen immer noch zum Alltag von Schwulen und Lesben. Schon das Outing gegenüber Familie und Freunden bedeutet für die meisten schwulen und lesbischen Jugendlichen weiter eine besondere Herausforderung – insbesondere für jene, die unter mehrfacher Diskriminierung leiden, wie zum Beispiel Schwule und Lesben mit Migrationshintergrund. Aber auch am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit erfahren Schwule und Lesben nach wie vor Ablehnung.
Auch in vielen gesetzlichen Regelungen sind Schwule und Lesben weiterhin schlechter gestellt. Trotz vieler, oft erst vom Bundesverfassungsgericht erzwungener Anpassungen, bestehen weiterhin vielfältige Unterschiede in der Behandlung von Ehen und Lebenspartnerschaften, darunter für die Betroffenen einschneidende Benachteiligungen im Steuerrecht und im Adoptionsrecht.
Die Situation Transsexueller (die sich selbst nicht dem körperlich gegebenen Geschlecht zuordnen) und intersexueller Menschen (die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können) wird jedoch auch in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiert und ihre Rechte missachtet.
Nach geltenden gesetzlichen Regelungen und Verfahren müssen Transsexuelle sich zu identitätsgestörten Menschen erklären. Da diese Verfahren die Geschlechtsidentität transsexueller Menschen nicht umfassend respektieren, verstoßen sie gegen Menschenrechte.
Intersexuelle werden in der Regel im Kindesalter ohne ihre Einwilligung an ihren uneindeutigen Genitalien operiert, um diese zu „vereinheitlichen“, wobei in Kauf genommen wird, dass ihr sexuelles Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird. Ein Leben als Intersexueller ist in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen.
Für die Gleichstellung von homosexuellen, transsexuellen und intersexuellen Menschen besteht also nach wie vor deutlicher Handlungsbedarf. Deshalb stellen wir folgende Forderungen auf, um die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung voranzutreiben und Diskriminierungen aktiv zu bekämpfen.
Bundes- und Landesebene:
- Verbot der Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität: Die derzeitige Formulierung des Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichheit vor dem Gesetz) kann die rechtliche Benachteiligung von Schwulen und Lesben offensichtlich bisher nicht wirksam verhindern. Deswegen fordern wir, den Artikel 3 um das Merkmal „sexuelle Identität“ zu ergänzen.
- Gleichstellung von Regenbogenfamilien: Der besondere Schutz von Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes soll für alle familiären Gemeinschaften gelten. Familien mit zwei Vätern oder zwei Müttern sollen familien-, steuer- und sozialrechtlich gleichgestellt werden.
- Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe: Durch die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft wurden sowohl die Bürgerrechte lesbischer wie schwuler Paare als auch die gesellschaftliche Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Beziehungen gestärkt. Verpartnerte homosexuelle Paare besitzen allerdings immer noch nicht dieselben Rechte wie verheiratete Heterosexuelle. Wir fordern die komplette rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe.
- Adoptions- und Sorgerecht für homosexuelle Paare: Es ist derzeit Ehepaaren und Einzelpersonen erlaubt, Kinder zu adoptieren, homosexuellen Paaren ist dies hingegen verwehrt. Argumente zugunsten dieser Diskriminierung mit Verweis auf das Kindeswohl sind durch eine Studie des Bundesjustizministeriums, die zeigt, dass das Wohlergehen der Kinder nicht davon abhängt, ob die Eltern in hetero- oder homosexuellen Partnerschaften leben, widerlegt. Wir fordern daher, die Benachteiligung von homosexuellen Paaren hinsichtlich des Adoptions- und Sorgerechtes zu beenden.
- Künstliche Befruchtung für lesbische Paare erlauben: Die Richtlinien zur assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer untersagen jegliche ärztliche Unterstützung bei einer künstlichen Befruchtung, wenn die betreffende Frau in einer lesbischen Partnerschaft lebt. Dabei spielen ethische Gründe hier keine Rolle. Ärzte sollen so vor möglichen Unterhaltsansprüchen der gezeugten Kinder geschützt werden, denn das Abstammungsrecht misst in diesem Fall mit zweierlei Maß: Wird ein Kind in einer Ehe durch künstliche Befruchtung mit dem Erbgut einer dritten Partei gezeugt, so gilt es rechtlich als Kind des Ehepaars. Bei dem Paar in der eingetragenen Lebenspartnerschaft verhält es sich aber nicht so. Deswegen fordern wir, dass für homosexuelle Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft zukünftig dasselbe Abstammungsrecht wie für Eheleute gilt. Auch die Beschränkung auf verheiratete Paare muss aufgehoben werden, das Recht auf Familiengründung muss für alle gelten.
- Verfolgten Schwulen und Lesben Schutz bieten: In vielen Ländern werden Lesben und Schwule wegen ihrer Homosexualität verfolgt. Es drohen Haft- und Todesstrafen. Deutschland muss deshalb Menschen, die aufgrund ihrer Sexualität verfolgt werden, Asyl gewähren. Auf internationaler Ebene muss sich die Bundesrepublik gegen die Verfolgung und für die Gleichstellung Homo-, Trans- und Intersexueller einsetzen.
- Die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in der NS-Zeit muss aufgearbeitet und in das Gedenken und in die historische Darstellung miteinbezogen werden.
- Rehabilitierung und Entschädigung der in der BRD und DDR Verurteilten: Lesben und Schwule wurden nach 1945 weiter strafrechtlich verfolgt. 1968 wurde der §175 zwar aufgeweicht, zu seiner endgültigen Streichung kam es aber erst 1994. Auch die DDR hat Homosexualität unter Erwachsenen bis 1968 nicht vollständig entkriminalisiert. Die Opfer dieser menschenrechtswidrigen Strafverfolgung in West und Ost müssen rehabilitiert und entschädigt werden.
- Freie Wahl des Geschlechts in amtlichen Dokumenten: Menschen sollte das Recht eingeräumt werden, das Geschlecht in amtlichen Dokumenten frei zu wählen. Für Transsexuelle stellt die Änderung der Geschlechtsangabe in offiziellen Dokumenten nach einer Geschlechtsanpassung eine menschlich oft schwierige bürokratische Herausforderung dar. Intersexuellen Menschen wird dies generell nicht gestattet. Vorbild ist hier Australien, das ein drittes Geschlecht X („unspecified“) eingeführt hat. Dieses Modell soll auch in Deutschland eingeführt werden, da insbesondere Intersexuelle sich nicht einem Geschlecht zuordnen lassen wollen.
- Aufklärung in Schulen, Sensibilisierung der Lehrkräfte, Aufklärung am Arbeitsplatz: Viele lesbische und schwule Jugendliche haben nach wie vor Angst, von ihrem Umfeld abgelehnt oder sogar gemobbt zu werden. Deswegen muss in den Schulen entsprechende Aufklärungsarbeit über Homosexualität geleistet werden. Das betrifft u.a. Lehrpläne und Lehrer_innenausbildung. Auch in den Betrieben und Unternehmen sollten Maßnahmen getroffen werden, die ein Klima am Arbeitsplatz fördern, das den offenen Umgang mit der Geschlechtsidentität erleichtert und Diskriminierung abbaut.
Kommunale Ebene:
- Stadtgeschichte ist auch immer Geschichte der Lesben und Schwulen. Dies darf in der lokalen Geschichtsschreibung nicht mehr totgeschwiegen werden. Städtische Einrichtungen sollen beauftragt werden, auch die geschichtliche Situation der Homosexuellen zu recherchieren. Auch der Lesben und Schwulen, Trans- und Intersexuellen soll würdig gedacht werden.
- In Bildungs- Kultur- und Jugendeinrichtungen müssen Angebote für Lesben und Schwule geschaffen werden. Städtisches Personal und Mitarbeiter_innen im Bildungs- und Erziehungsbereich sollen in Schulungen zu Homosexualität und Geschlechtsidentität sensibilisiert werden.
- Unterstützung von Organisationen und Vereinen: Viel Aufklärungsarbeit für die Belange homosexueller, transsexueller und intersexueller Menschen wurde und wird durch das ehrenamtliche Engagement von Menschen geleistet. Dieses Engagement gilt es von kommunaler Seite zu stärken und zu fördern.
- Einbeziehung des Themas in die Integrationsarbeit und Schaffung von Beratungsangeboten für Schwule und Lesben mit Migrationshintergrund
- Kommunale Koordinierungsstellen/Beauftragte auf allen Ebenen: In den Kommunen sind nach Münchener Vorbild Koordinierungsstellen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen zu gründen, die sich nicht nur um die Belange der Lesben und Schwulen, sondern auch um jene der Trans- und Intersexuellen kümmern, sie beraten und Öffentlichkeitsarbeit u.a.m. leisten.
- Besseres Leben von Homosexuellen im Alter: Die traditionelle Senior_innenarbeit ignoriert die Bedürfnisse älterer homosexueller Männer und Frauen noch weitgehend, weder im Freizeit- noch im Bildungsbereich gibt es zielgruppenorientierte Angebote. Notwendig sind Konzepte für die kultursensible Versorgung, Pflege und Begleitung von lesbischen Frauen und schwulen Männern.