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Defizite der Staatsschuldendiskussion

Quelle: rebel  / pixelio.de
Quelle: rebel / pixelio.de

Seit der europäischen Schuldenkrise wird in der Öffentlichkeit intensiv über Staatsschulden und über die Haushaltskonsolidierung diskutiert, mit der man angeblich Herr über die Schuldenproblematik  werden könne. Insbesondere südeuropäische Staaten, die zuvor von Ratingagenturen auf Ramschniveau abgestuft worden sind und sich deswegen nicht mehr auf dem Anleihemarkt refinanzieren können, werden unter Druck der Troika nun dazu gezwungen so lange zu sparen, bis die Haushalte nicht nur konsolidiert sind, sondern auch Schulden abgebaut werden können.

Doch nicht erst seit der Finanzkrise steht das Reduzieren der absoluten Staatsverschuldung im Mittelpunkt der Haushaltspolitik. Spätestens seitdem Helmut Kohl durch ein konstruktives Misstrauensvotum an die Macht kam und die „geistig-moralische Wende“ einleitete ist es auch in Deutschland Konsens geworden, dass der Staatshaushalt nur noch durch Haushaltskürzungen konsolidiert werden kann. Auch rot-grün, die große Koalition und die momentan amtierende Bundesregierung haben sich diesem Ziel verschrieben. Bisher ist es keiner dieser Regierungen gelungen einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Auch als sich 2008 die schwerste Krise seit 1929 angedeutet hatte, wollte die große Koalition an ihrem Ziel, um jeden Preis einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können, festhalten. Erst nachdem Merkel und Steinbrück unter anderem von Nobelpreisträger Krugman heftigst kritisiert wurden, war man bereit Konjunkturpakete zu verabschieden, um einen Totalabsturz der Wirtschaft zu verhindern[2].

Zwar sah es zunächst danach aus, als hätte man sich von der neoliberalen Ideologie verabschiedet, doch das Revival von Keynes hielt nicht lange an. Schon 2008 war Merkel der Meinung, dass es erst gar nicht so weit gekommen wäre, wenn man auf die schwäbische Hausfrau gehört hätte. Denn diese wisse ja, dass man dauerhaft nicht über seine Verhältnisse leben könne. Auch Schäuble sieht sich, auch wenn es vermutlich nur ironisch gemeint war, aufgrund der schwäbischen Herkunft seiner Mutter, für das Amt des Finanzministers besonders qualifiziert [3].  Nicht nur Mitglieder der schwarz-gelben Bundesregierung, sondern auch etliche ÖkonomInnen sind der Meinung, dass Schulden generell schlecht seien. Bei der Umsetzung  dieser wirtschaftspolitischen Philosophie wird auch gerne auf die Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen verwiesen, die die heute gemachten Schulden dann tragen müssen.  In diesem Kontext wird auch gerne von konservativer Seite SozialdemokratInnen vorgeworfen, sie können nicht mit Geld umgehen. Diese Argumente werden in der Öffentlichkeit von wenigen hinterfragt. Auf diese und einige andere Punkte soll deswegen im Folgenden kritisch eingegangen werden:

Staatsschuldenentwicklung und Schuldenabbau

Betrachtet man die Staatsschuldenentwicklung in absoluten Zahlen, so sind die Staatsschulden in Deutschland seit 1950 exponentiell gestiegen. Dies wirkt im ersten Moment ziemlich dramatisch, allerdings ist die absolute Höhe der Staatsverschuldung volkswirtschaftlich nicht wirklich interpretierbar. Setzt man zum Beispiel die Staatsverschuldung ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, also zur Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft, ergibt sich ein etwas anderes Bild.

Betrachtet man also dieses volkswirtschaftlich besser interpretierbares Verhältnis, die sogenannte Staatsquote, sieht man, dass es  nicht unbedingt notwendig ist Überschüsse zu erzielen, um die Staatsquote zu senken. Denn die Entwicklung des BIPs hängt insbesondere vom Wirtschaftswachstum und von der Inflation ab. Zwar sind im Jahr 2007 die Staatsschulden in Deutschland um acht Milliarden Euro gestiegen, da aber das reale Wirtschaftswachstum 2,5% und die Inflationsrate 2,2% betragen hat, ist die Staatsschuldenquote von 68,1% auf 65,2% gesunken.  Wegen der hohen Wirtschaftswachstums- und Inflationsraten vor allem in den 50er und 60er Jahren, konnte man sich auch ein hohes Primärdefizit ohne weitere Probleme leisten.

Die Weltwirtschaftskrise Mitte der 70er Jahre leitete  im Westen einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik ein, der in den USA mit Reagan und in Großbritannien mit Margret Thatcher vollzogen worden ist. Die Kehrtwende begann in Deutschland mit der Monetarisierung  der Geldpolitik in den 70er Jahren durch die deutsche Bundesbank – die Regelung der Geldmenge wurde also als die wichtigste Stellgröße zur Steuerung der Wirtschaft angesehen- und mit der Wahl Helmut Kohls 1982. Der konservativ-liberalen Regierung  ist es zwar gelungen das Primärdefizit des Staatshaushaltes zu senken, die geringere Wachstumsrate des BIPs und die Deflationspolitik der Bundesbank, ließen die Staatsschuldenquote trotz niedrigeren dennoch Zinsen kontinuierlich steigen [1].

Staatsverschuldungsquote der BRD seit 1960
Staatsverschuldungsquote der BRD seit 1960

Entgegen vieler Behauptungen in der Öffentlichkeit ist die Aussage, SozialdemokratInnen könnten keine solide Finanzpolitik betreiben, schlichtwegs falsch. Willy Brandt ist bis heute der einzige Bundeskanzler, der das Kanzleramt mit einer niedrigeren Staatsschuldenquote verlassen hat (1969: 20,6%; 1974: 18,5%). Auch als Berliner Bürgermeister hat er im Vergleich zu seinen Vorgängern und Nachfolgern  die solideste Haushaltspolitik betrieben [4].

Nichtsdestotrotz muss man zugeben, dass auch die rot-grüne Koalition die Kürzungspolitik 1998 ebenfalls nicht aufgegeben hat und ebenfalls aufgrund der Wirtschaftsflaute daran scheiterte den Haushalt zu sanieren. Dies gilt genau so für die Steuerpolitik.

Zwar hat sich seit den 80er Jahren die Staatsquote kaum geändert, es kam aber zu einer starken Verschiebung innerhalb der Steuerstrukturen zu Gunsten der indirekten Steuern. Unternehmens- und Vermögensbesteuerungen wurden gesenkt, die Mehrwertsteuer wesentlich erhöht und die Ökosteuer – die vielleicht aus umweltpolitischen Aspekten sinnvoll , aber nicht sozial gerecht ist- eingeführt.  Durch diese Umstrukturierungen im Steuersystem förderte man die Umverteilung von unten nach oben. Man belastete die nachfragewirksamen Masseeinkommen und entlastete Vermögen, was eine Finanzialisierung der Wirtschaft begünstigte. Die steigende Sparquote bei den oberen Einkommensschichten und Unternehmen (nicht ohne Grund spricht man bei Siemens von einer Bank mit angeschlossener Elektroabteilung) sorgt fördert die Bildung von Finanz- und Vermögensblasen und ist mit einer steigenden Labilität der Wirtschaft verbunden [1].

Kürzungsprogramme, die uns als Sparpakete verkauft werden

Unter Sparen versteht man in der Regel das zu Seite legen von Geld, um es zu einem späteren Zeitpunkt für eine größere Anschaffung ausgeben zu können. Wenn allerdings einE FinanzministerIn oder KanzlerIn von Sparpaketen spricht, ist in Wirklichkeit was ganz anderes gemeint, wie auch Kai Biermann auf neusprech.org  sarkastisch feststellt:

„Sparen gilt als Tugend, und wer freut sich nicht über ein Paket? Noch dazu, wenn es suggeriert, dass es eine Fülle von Kürzungen gibt, die zusammengehören und ein großes und vielleicht sinnvolles Ganzes ergeben? Anhand der geplanten Maßnahmen aber müsste das Vorhaben eigentlich Armenhilfekürzungsplan heißen[…].“[5]

Der im alltäglichen Leben positiv besetzte Begriff „Sparen“ wird  dazu missbraucht, um Sozialkürzungen in der Öffentlichkeit rechtfertigen zu können. Begründet werden die Sparpakete oft auch mit der Behauptung, SozialhilfeempfängerInnen würde es zu gut gehen, da die Sozialausgaben in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen seien.  Die Sozialausgaben sind allerdings nicht aufgrund von Verbesserungen der Sozialleistungen gestiegen, sondern wegen der höheren Arbeitslosigkeit.
Genauso verhält es sich auch bei der Metapher mit der schwäbischen Hausfrau, die dazu dienen soll, Kürzungen zu rechtfertigen. Dabei sollen die Leute davon überzeugt werden, dass die BürgerInnen über ihre Verhältnisse leben und deswegen „gespart“ werden müsse. Volkswirtschaftlich gesehen ist diese Aussage, zumindestens für Deutschland, falsch.  Der kontinuierliche Anstieg der Nettoexporte , der bloß aufgrund der Weltwirtschaftskrise zeitweise abgeschwächt worden ist,  zeigt, dass  die deutsche Volkswirtschaft nicht über, sondern unter ihren Verhältnissen lebt.  Unternehmen in Deutschland bauen also ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland aus.  Dies kann nur auf zwei Arten passieren. Entweder wertet die Währung der Volkswirtschaft ab oder die Löhne der ArbeitnehmerInnen steigen schwächer als in den anderen Ländern. Beide Faktoren spielen in diesem Fall eine Rolle. Zum einen profitiert Deutschland vom relativ schwachen Euro.  Denn ohne den Euro wäre der Wechselkurs der DM im Vergleich zu den Währungen der anderen Länder viel stärker als momentan der Euro z.B. gegenüber dem US-Dollar gestiegen, wodurch deutsche Produkte im Ausland viel teurer gewesen wären. Zum anderen war Deutschland auch das einzige Land in der EU, in dem von 2000 bis 2011 die Reallöhne gefallen sind [6]. Der Anstieg des Exports lässt sich also auch zu einem erheblichen Teil damit erklären, dass die ArbeitnehmerInnen in Deutschland auf Lohnerhöhungen verzichten mussten.

Wenn der Staat mit der schwäbischen Hausfrau verglichen wird,  ist dies nicht nur falsch, sondern auch widersprüchlich.  Nehmen wir mal an, dass die schwäbische Hausfrau eine Investition tätigen muss, für die sie nun auch einen Kredit bei der Bank aufnehmen muss. Der Bankberater bzw. die Bankberaterin wird von ihr nicht nur wissen wollen, wie viel sie im Jahr einnimmt, sondern auch welche Vermögensgüter sie besitzt, auf die die Bank im Falle des Kreditausfalls zugreifen möchte.  Und genau nach letzterem wird beim Staat nicht nachgefragt, geschweige denn, was damit angestellt wird.

1995 lag das Nettovermögen (die Verbindlichkeiten sind also schon abgezogen) bei 52% gemessen am BIP. Aufgrund des Rückgangs der Infrastrukturinvestition und der Privatisierung von Staatsbesitz waren es 2009 nur noch 6%. Mal davon abgesehen, dass das Vermögen höher ist  als die Verbindlichkeiten des deutschen Staates, kann man auch an der Vermögensentwicklung sehen, dass eine neoliberale Kürzungspolitik nicht zielführend ist [7].

Crowding Out und Pervertierung des Begriffs der Generationengerechtigkeit

Insbesondere in den Einführungsveranstaltungen zur Volkswirtschaftslehre wird man mit Thesen konfrontiert, die angeblich eine schädliche Auswirkung der Schuldenaufnahme durch den Staat auf die privatwirtschaftlichen Aktivitäten belegt. Die sogenannte Crowding-Out-These behauptet, dass eine erhöhte Nettokreditaufnahme des Staates für erhöhte Zinsen auf dem Kreditmarkt sorgen wird, da von einem statischen Angebot der Geldmenge ausgegangen wird. Diese Erhöhung führe dann zur Verdrängung von privaten Investitionen.  Diese These lässt sich allerdings nicht empirisch verifizieren. Seit Anfang der 90er Jahre  haben sich die Staatsschulden der Bundesrepublik vervielfacht. Trotz wachsender Neuverschuldung ist der Kapitalmarktzinssatz nicht gestiegen, sondern gesunken. Genau so wenig lässt sich übrigens zeigen, dass im Zuge des massiven Anstiegs der Staatsverschuldung die Geldentwertung zugenommen hat. In dieser Phase ist in Deutschland die Inflationsrate sogar auf einen historischen Tiefstand zurückgefallen [8].

In der neoliberalen Theorie werden nicht nur Thesen verwendet, die sich empirisch nicht belegen lassen, sondern auch gerne Konzepte für die eigenen Interessen umgemünzt, die dann bereitwillig von Politik und Medien aufgegriffen werden.

Im grünen Diskurs der 80er Jahre („Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“) wurde der Begriff der Generationengerechtigkeit populär, der ursprünglich auf Karl Marx zurückgeht [9]. Als Generationengerechtigkeit wurde das ressourcenschonende Korrektiv der Bedürfnisse aller gegenwärtig Lebenden verstanden und war eng verknüpft mit dem grünen Wert der Nachhaltigkeit. Diesen Begriff verwendet man nun unter anderem im Gebiet der Fiskalpolitik (aber auch in der Rentendebatte), um Haushaltskürzungen rechtfertigen zu können.

Es wird behauptet, dass eine Haushaltskonsolidierung notwendig sei, um den künftigen Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen. Dabei wird unterschlagen, dass den Schulden Vermögen gegenüberstehen, die den jüngeren Generationen ebenfalls vererbt werden. Da aber diese Vermögen nicht gleichmäßig  an die jüngere Generation weitervererbt werden, ist es falsch von einem intergenerationellen Problem zu reden. Es liegt also kein Konflikt zwischen jung und alt vor, sondern zwischen reich und arm, also ein intragenerationeller Konflikt [10].

Gute vs. schlechte Schulden und das falsch verstandene „Deficit Spending“ von Keynes

Auch wenn bis jetzt lediglich die neoliberale Politik kritisiert worden ist, muss man sich generell die Frage stellen, ob man zwischen einer guten und schlechten Staatsverschuldung unterscheiden kann. Wenn ein Staat mit Hilfe von Schulden den Luxuskonsum einer korrupten Oberschicht oder die militärische Rüstung finanziert, kann man sicherlich nicht von einer volkswirtschaftlich sinnvollen Investition sprechen. Aber es ist zum Beispiel eine vernünftige Sache , wenn man mangels ausreichenden Inlandsvermögens internationale Kredite aufnimmt, um die Folgen einer Naturkatastrophe zu überwinden oder wenn ein zurückgebliebenes Land, das Zukunftsinvestitionen mit internationalen Krediten finanziert, um eine höhere Produktivität zu erreichen. Durch Anleihen finanzierte Investitionen können also durchaus Sinn machen, wenn man dadurch die produktive Basis einer Volkswirtschaft ausbauen oder eine (Wirtschafts-)Krise bewältigen möchte . [1]

Dies zeigt aber auch, dass eine Verschuldung durch den Staat nicht undifferenziert verteidigt werden sollte.  Insbesondere das „Deficit Spending“, also das Ankurbeln der Wirtschaft durch schuldenfinanzierte Staatsausgaben, das von einigen Linken als Allheilmittel angesehen wird, muss kritisch betrachtet werden. Selbst Keynes hat das Deficit Spending lediglich als Notbehelf angesehen. Er forderte entgegen vieler Behauptungen kein dauerhaftes Defizit, sondern eine „Sozialisierung der Investitionen“ und die steuerliche Stärkung der unteren Einkommensschichten, die ihre Einkommen eher ausgeben als sparen.  Keynes machte eben nicht den Nachfragemangel als Krisenursache aus, sondern den Zusammenbruch der Profiterwartungen und damit der Investitionen. Letztere dürfen deswegen seiner Meinung nach nicht dem „animal spirit“ der Privatwirtschaft mit deren schwankenden Erwartungen überlassen werden. [1]

Es gibt also im Prinzip zwei Möglichkeiten, um an Geld für Investitionen zu kommen. Entweder der Staat erhöht die Steuern, insbesondere auf Vermögen und für Besserverdienende oder er finanziert die Investitionen durch Anleihen. Vor allem ersteres stößt aber auf größere Widerstände, weswegen man es früher vorgezogen hat, Kredite für Investitionen aufzunehmen. Mittlerweile ist aber auch eine erhöhte Staatsverschuldung genau so verpönt, weshalb die Erhöhung von indirekten Steuern und insbesondere Ausgabenkürzungen vorgezogen werden. Mit der Schuldenbremse wird sich diese Politik vermutlich noch verstärken auch wenn die SPD gerne von einer Steuersenkungsbremse spricht [11].

Alternativen zur momentanen Wirtschafts- und Verschuldungspolitik

Weder Deficit Spending noch die neoliberale Wirtschaftspolitik können künftige Finanz- und Wirtschaftskrisen verhindern. Zwar war die Große Koalition nach der Verabschiedung beider Konjunkturpakete davon überzeugt, dass die Schuldenbremse eine gewisse Stabilität bringen wird, das öffentliche Sparen wird dennoch nur das Wachstum bremsen und nicht künftige Krisen verhindern.

Ziel der Wirtschaftspolitik muss es sein für Rahmenbedingungen zu sorgen, die einerseits  einen stabilen Haushalt garantieren, ohne dass Investitionen zurückgefahren werden müssen, und andererseits versuchen Wirtschaftskrisen so gut es geht zu verhindern.

Die Umverteilung von unten nach oben sorgte wie oben bereits beschrieben für eine Verschiebung der Investitionen von der Realwirtschaft in die Finanzwirtschaft, was die Labilität der Finanzmärkte durch vermehrte Spekulation erhöhte. Diese Labilität kann durch eine Umverteilung in die umgekehrte Richtung, zum Beispiel  durch die Erhöhung von Vermögenssteuern und durch die Regulierung der Finanzmärkte, gedämmt werden.   Eine Strukturverschiebung von den indirekten  zu den direkten Steuern, würde eine Umverteilung von oben nach unten ebenfalls unterstützen, den Konsum stärken und die Einnahmeerhöhungen des Staates würden dafür sorgen, dass man auf eine Finanzierung durch Anleihen weniger angewiesen ist.

Alternativen zur Anleihenfinanzierung gäbe es auch. Momentan verleiht die EZB für weniger als ein Prozent Geld an Banken, das diese wiederum zu einem höheren Zinssatz an EU-Staaten weiterverleihen. Aufgrund dieser Tatsache stellt sich auch die Frage, wieso die EZB nicht bis zu einem gewissen Prozentsatz des BIPs das Geld direkt an Staaten verleihen kann. Dies würde für eine gewisse Unabhängigkeit der Staaten von den Anleihemärkten sorgen. Die Begrenzung würde verhindern, dass Regierungen den günstigen Zins für eine übermäßige Verschuldung missbrauchen könnten.  Auch wenn Deutschland sich momentan teilweise auch Geld mit negativen Realzinsen leihen kann, wird dies mittelfristig nicht so bleiben, weswegen nicht nur die anderen EU-Staaten von dieser Praxis der Kreditvergabe profitieren würden. [1]

Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass die hier kurz angesprochenen Alternativen lediglich für eine Verkleinerung der Auswirkungen einer Krise sorgen würden. Um Krisen vermeiden zu können, müsste man zumindestens über die Sozialisierung der Investitionen diskutieren. Dies ist allerdings ohne Eingriffe in die Entscheidungs- und Eigentumsstrukturen schwer möglich. [1]

Munib Agha

für den Wirtschaftspolitischen Arbeitskreis der SPD Erlangen

 

[1] Leibiger, Jürgen: „Defizite der Staatsschuldendiskussion“, erschienen in der Sozialismus 2/2012

[2] Spiegelonline, 13.12.2008; Rezessionsbekämpfung: Nobelpreisträger Krugman attackiert Merkel und Steinbrück

[3] faz.net, 16.05.2010; Die schwäbische Hausfrau

[4] http://www.sgipt.org/politpsy/finanz/schuldp/berlin.htm

[5] http://neusprech.org/sparpaket/

[6] http://www.boeckler.de/MB_2012_05_Lohnentwicklung_in_Zahlen.pdf

[7] Wochenbericht des DIW Nr. 50/2010; Dr. Bach, Stefan: „Staatsverschuldung und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanz: Öffentliche Armut, privater Reichtum“

[8] Hickel, Rudolf: „Zukunftsgestaltung oder Aderlaß“ erschienen in „Blätter für deutsche und internationale Politik“,  12/1999

[9] Karl Marx, MEW 25 „Das Kapital III“, S.784: „Vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias <gute Familienväter> den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“

[10] von Lucke, Albrecht: Generationengerechtigkeit als Kampfbegriff, erschienen in „Blätter für deutsche und internationale Politik“, 9/2003

[11] http://www.merkur-online.de/aktuelles/politik/spd-fordert-schuldenbremse-verfassung-1911773.html